Nuremberg Forum 2017 - 10 Years after the Nuremberg Declaration on Peace and Justice - "The Fight Against Impunity at a Crossroad"

Rede von Bundesminister Christian Schmidt MdB

20.10.2017, 16:22 Uhr

Sehr geehrte Frau stellvertretende Direktorin Dr. Dittrich
(Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien),

sehr geehrter Herr Staatsminister, lieber Winfried Bausback,
(Bayerischer Staatsminister der Justiz),

sehr geehrte Frau Präsidentin Fernández de Gurmendi,
(Präsidentin des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag),

sehr geehrte Frau Präsidentin Dr. Pillay
(Dr. Navanethem Pillay, frühere UN Hochkommissarin für Menschenrechte, Präsidentin des Kuratoriums der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien),

Exzellenzen,

sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft,
liebe Gäste!

I. Einführung
 
Ich danke Ihnen herzlich für die Einladung zum Nuremberg Forum 2017.
Zehn Jahre nach der Annahme der „Nuremberg Declaration on Peace and Justice" auf der internationalen Konferenz des Jahres 2007 in Nürnberg ist es für mich sehr erfreulich zu sehen, dass ein multidisziplinäres Netzwerk aus Wissenschaftlern und Praktikern im Bereich des Völkerstrafrechts erneut an diesem geschichtsträchtigen Ort zusammenkommt.
 
Frieden durch Recht, das war der Obersatz der Nürnberger Prozesse, unter dem der beispiellose Zivilisationsbruch des Holocaust, unter dem Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit juristisch aufgearbeitet wurden.
 
Alle Bundesregierungen leitet seitdem der Grundsatz „Frieden durch Recht" und „Nie wieder Auschwitz" – sowohl im innen- als auch im außenpolitischen Handeln.
 
Deshalb freue ich mich sehr, dass es Ihnen mit der Konferenz gelungen ist, ein schon traditionsreiches Forum zu schaffen, um das Völkerstrafrecht zu stärken.
 
Gemeinsam wollen wir heute und morgen Bilanz ziehen – zehn Jahre nachdem 2007 die Nürnberger Erklärung zu Frieden und Gerechtigkeit von Finnland, Jordanien und Deutschland ausgearbeitet und ein Jahr später in die Generalversammlung der Vereinten Nationen eingeführt worden ist.
 
II. Frieden durch Recht
 
Meine Damen und Herren, das Unrecht der menschenverachtenden Diktatur der Nationalsozialisten juristisch aufzuarbeiten und Lehren für unsere gemeinsame Zukunft zu ziehen, das vereint die zentralen Werte, die in der Nürnberger Erklärung 2007 so eindeutig zum Ausdruck kommen: Frieden und Gerechtigkeit.
 
Auch heute sind wir mit Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit konfrontiert.
Ich nenne den Völkermord des so genannten Islamischen Staates an den Jesiden, der im Jahr 2014 die Weltöffentlichkeit erreichte.
Ich nenne die Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen muslimische Minderheiten, beispielswiese in Myanmar.
Und ich nenne Kriegsverbrechen in bewaffneten Konflikten Afrikas. Leider müssen wir auch ehrlicherweise ansprechen, dass einzelne Soldaten, die in UN-Friedenstruppen dienen, sexuelle Gewalt gegenüber denen ausüben, die eigentlich ihre Schutzbefohlenen sind. Ich sage ganz klar: Das dürfen und das werden wir nicht hinnehmen!
 
Deshalb ist es so wichtig, dass die Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien sich mit diesen Themen befasst!
 
III. Krisenprävention
 
Meine Damen und Herren, gemäß der Kernthese in der Nürnberger Erklärung von 2007 gilt es beide Werte zu fördern: Frieden und Gerechtigkeit. Ich verstehe Frieden – ganz im Sinne der Erklärung als nachhaltigen Frieden.
Die Nürnberger Erklärung von 2007 hat drei Empfehlungen genannt:
- Frieden herstellen,
- sich mit der Vergangenheit befassen, und
- Entwicklung fördern.
 
Diese drei Schwerpunkt-Empfehlungen zeigen, dass es eines vernetzten Ansatzes bedarf, der die Komplexität von Konfliktursachen aber auch die nachhaltige Aufarbeitung von gewaltsamen Auseinandersetzungen einbezieht.
 
Das treibt mich auch ganz persönlich in der täglichen Gestaltung von Politik an: Heute Abend findet die erste Runde der gemeinsamen Sondierungsgespräche statt, um eine neue Bundesregierung zu bilden. Ich werde daran in Berlin teilnehmen. Bereits im Koalitionsvertrag des Jahres 2013 haben wir uns zur internationalen Schutzverantwortung bekannt, um Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern.
 
Das Konzept der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect) bedarf der weiteren Ausgestaltung und einer völkerrechtlich legitimierten Implementierung. Dabei gilt es, vor allem die präventive Säule der Schutzverantwortung international zu stärken.
[Koa-Vertrag 2013, S. 119; in diesem Sinne auch die „Nuremberg Declaration on Peace and Justice", Punkt III. 2.]
 
Auch in einer neuen Koalition auf Bundesebene sollten wir künftig gemeinsam dafür eintreten, Konfliktprävention zu stärken, Menschen in fragilen Staaten eine Perspektive zu geben und den Hunger als Konfliktursache zu bekämpfen. Dazu gehört für mich auch ein starker Fokus auf die Landwirtschaft.
 
Was viele vielleicht nicht wissen oder schon wieder verdrängt haben: Syrien hat von 2006 bis 2010 eine der größten Dürren der vergangenen Jahrzehnte erlebt. Die Menschen wurden ihres Lebensunterhaltes beraubt.
 
Das war einer der Faktoren, die zu Radikalisierung, zu politischen Unruhen und in letzter Konsequenz zum Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien mit all seinen schrecklichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beigetragen haben.
 
Wenn wir zu einem nachhaltigen Frieden in einer Krisenregion kommen wollen, dann sollten wir im Rahmen unseres „comprehensive approach" aus
- Diplomatie,
- militärischen Fähigkeiten
- und Entwicklungszusammenarbeit
- auch den Baustein Landwirtschaft und Ernährungssicherung deutlich stärken.
 
Nachhaltiger Frieden ist ein Imperativ beim Kampf gegen Hunger. Und nachhaltige Hungerbekämpfung ist eine Grundbedingung für Frieden!
 
IV. Schluss
 
Meine Damen und Herren, Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht ungestraft bleiben und die Strafverfolgung muss sichergestellt werden. Dafür arbeiten Sie Tag für Tag und dafür gebührt Ihnen Wertschätzung und Anerkennung!
 
Ich wünsche mir, dass wir das Völkerstrafrecht in einen umfassenden Ansatz einordnen. Das heißt, Sühne geschehenen Unrechts, aber auch Prävention neuen Unrechts. Die Möglichkeit, vor Gericht zu stehen, kann durchaus abschreckend auf Staatsoberhäupter und (para-)militärische Befehlshaber wirken. Das gilt es zu stärken.
 
Zugleich müssen wir uns aber auch viel mehr im Bereich der zivilen Krisenprävention einbringen, denn wir haben dann besonders gut gearbeitet, wenn ein Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit gar nicht erst stattfindet. Dabei kann die Abschreckung durch lange Haftstrafen über das Völkerstrafrecht helfen. Und dabei kann auch die Stärkung der Landwirtschaft in fragilen Staaten eine wichtige Rolle spielen.
 
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, dass Sie während dieser beiden Konferenztage auf die positive Entwicklung der vergangenen zehn Jahre aufbauen können, erfolgreiche Herangehensweisen bestätigen und Veränderungen dort vornehmen, wo Verbesserungsbedarf besteht.
 
Vielen Dank!