Die heute von US-Verteidigungsminister Esper konkretisierte Abzugsplanung ist und bleibt eine falsche Reaktion auf Unstimmigkeiten zwischen NATO-Mitgliedsstaaten. Die NATO ist ein Bündnis unter Freunden und keine Bestrafungsanstalt.
So wie es durchaus berechtigt ist, Deutschland als Mitgliedsstaat zur Einhaltung seiner Verpflichtungen anzuhalten, so falsch ist es, die gemeinsame Sicherheitsstrategie nur an Zahlungen festzumachen. Die NATO ist kein Golfclub, wo man beitreten und ausscheiden kann wie man mag. Deswegen heißt Verteidigung im Bündnis eben auch: Jede Schwächung der NATO hilft Gegnern der NATO.
Insbesondere die US-Präsenz in Europa dient zudem sehr deutlich den strategischen Interessen der USA selbst. An Russland beispielsweise und für alle, die ausgewogene Abrüstung und Kontrolle erreichen wollen, sind solche spontanen Entscheidungen nicht mit dem richtigen Ton versehen.
Zu den heute genannten Entscheidungen ist zudem zu sagen, dass das auf dem Papier steht, aber wenn überhaupt über die Jahre umgesetzt werden wird. Wer an Standorten in Deutschland abzieht, muss anderswo neue Unterbringungs-, Ausbildungs- und technische Möglichkeiten schaffen. Wichtig ist zudem zu sehen, welche Fähigkeiten abgezogen werden, denn Soldaten ohne militärische Ausrüstung sind so wenig wert wie militärische Ausrüstung ohne bedienende Menschen.
Insbesondere die Reduzierung in Grafenwöhr, Vilseck und Wildflecken ist mit Besorgnis zu betrachten. Eine gute Ausbildung vor allem kleinerer NATO-Streitkräfte ist in Grafenwöhr gut aufgehoben und nicht ohne weiteres reproduzierbar.
Wir sollten sofort in einen Dialog mit USA und NATO über eine strategische Ausrichtung eintreten. Auch Deutschland muss zu seiner Sicherheitsverantwortung in Europa stehen und mehr beitragen.
Noch ist das Eisen in Wirklichkeit nicht geschmiedet, ich erwarte eine deutsche diplomatische und strategische Initiative - vor und nach den US-Präsidentschaftswahlen, gleich ob dann der Präsident Trump oder Biden heißt.