Neustadt a.d. Aisch (pmw). Seit August bekleidet der ehemalige Bundesminister und amtierende Wahlkreisabgeordnete im Deutschen Bundestag, Christian Schmidt, das Amt des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina. Sein Vorgänger war der Österreicher Valentin Inzko, der dieses Amt mehr als zwölf Jahre ausgeübt hatte. Bei einem Symposium der Deutschen Atlantischen Gesellschaft e.V., dessen Präsident der CSU-Politiker Schmidt seit 2006 ist, wurde deutlich, dass ihm „ein Bündel schwieriger Aufgaben“ bevorsteht. Mit hochrangigen Politikern und Wissenschaftlern wurde in der NeuStadtHalle die „euroatlantische Perspektive“ dieser Region beleuchtet.
So sprach Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble bei seinem Impulsvortrag davon, dass noch Auswirkungen Zweier Weltkriege auf dem Balkan und damit auch in Bosnien und Herzegowina spürbar seien, vor allem bei den sozialen und ethnischen Strukturen. „Die Wunden sind noch immer nicht vernarbt“. Derzeit halte der Frieden zwar an, aber es gebe noch „gewaltige Herausforderungen und auch alarmierende Prozesse“, wo die Europäische Union und die Staatengemeinschaft nicht wegsehen dürfe.
Dr. Wolfgang Schäuble: „Grenzen das Trennende nehmen“
Er beschrieb eine „Systemkonkurrenz“ in der Region durch entsprechende Einflussnahme von Großmächten wie China oder Russland. Schon mit Blick auf Frieden und Freiheit sei die positive Einwirkung der Europäischen Union auch im eigenen Interesse. Als eine der wichtigsten Aufgaben, die Christian Schmidt zu bewältigen habe, zählte Schäuble: „Nicht über Grenzen streiten, sondern Grenzen das Trennende nehmen“.
Streit zu schlichten gehöre zu den Leitgedanken der Europäischen Union (EU) und dazu zähle auch die Hilfestellung bei der Durchsetzung von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Gerade weil die EU in der Vergangenheit viele Fehler auf dem Balkan gemacht habe, gehöre jetzt zum geopolitischen Denken die Hilfe zur Angleichung der Lebensverhältnisse. Dazu sei umfangreiches und ausdauerndes Engagement erforderlich, denn „wenn der Wohlstand nicht zu den Menschen kommt, gehen die Menschen dahin, wo der Wohlstand ist“.
Schmidt: „Land nicht auf Dauer unter Repräsentanz stellen“
„Mein größter Erfolg wäre, wenn das Amt irgendwann aufgelöst werden könnte“, so der neue Hohe Repräsentant. Man könne ein Land nicht auf Dauer unter Repräsentanz stellen, wobei Schmidt auch eine verstärkte Wahrnehmung von Eigenverantwortung einforderte. Bei der Aussöhnung der Bevölkerungsgruppen und auf dem Weg zur Rechtsstaatlichkeit gebe es aber noch viel zu tun. Zudem brauche es zunächst eine Annäherung von Bosnien und Herzegowina an die EU, um letztlich dann als souveräner demokratischer Staat auch beitreten zum können.
Tobias Winkler, als Leiter des Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in München EU-Experte und im Bundeswahlkreis Fürth seitens der CSU für das Direktmandat bei der bevorstehenden Bundestagswahl nominiert, erhielt große Zustimmung des Bundestagspräsidenten für seinen Vorschlag, unterhalb der EU-Vollmitgliedschaft andere Formen der Zusammenarbeit mit der EU zu etablieren. Schäuble plädierte in diesem Zusammenhang auch für unterschiedliche Geschwindigkeiten und Formen der Integration.
Nach Aussage von Professorin Dr. Marie-Janine Calic von der Ludwig-Maximilians-Universität München könnte Bosnien und Herzegowina ein stabiler und wirtschaftlich prosperierender Staat sein, wenn das Land nicht nach wie vor ethnisch tief gespalten wäre. Für dringlich erachtete sie die rasche Neuordnung der „hochkomplizierten föderalen Verfassung mit 15 Parlamenten und mehr als 300 Ministern“. Bereits im Oktober nächsten Jahres würden Neuwahlen anstehen. Für Christian Schmidt eine „Riesen-Herausforderung, ein neues Wahlrecht zu organisieren, ohne erneut territoriale Konflikte aufzureißen“.
Staatengemeinschaft darf die Region nicht im Stich lassen
Dr. Calic sah in der Region trotz schwieriger Aufgaben genügend Potenzial für eine positive Entwicklung. Sollte aber die Staatengemeinschaft die Region im Stich lassen, wäre ein Kollaps vorprogrammiert, prognostizierte die renommierte Professorin. Sie beobachte eine interessante Entwicklung, wonach manche die Arbeit des Hohen Repräsentanten ablehnen würden, „gleichzeitig aber bei ihm alle ihre Probleme abladen“.
„Die Bevölkerung hat eine hohe Erwartungshaltung“, meinte Christian Schmidt, und „der Blick in die Vergangenheit darf die Zukunft nicht vollständig verbauen“. Erfolgreich könne man nur sein, wenn die Einigkeit im Innern hergestellt werden könne und es eine enge Zusammenarbeit der EU mit den USA und der internationalen Staatengemeinschaft gebe. Auch bei der Diskussion wurde deutlich, dass die Problemlösung nicht erst nach erschöpfender Aufarbeitung der Historie erfolgen könne. Als „realistisches Zwischenziel“ sah Schmidt „die Annäherung an europäische Standards um einen bessere Marktzugang zu ermöglichen“.
Eingangs konnte Christian Schmidt den Ersten Vizepräsidenten des Bayerischen Landtags, Karl Freller, als Gast begrüßen, sowie die CSU-Bezirksräte Ivona Papak und Thomas Zehmeister und „seinen“ Vizepräsidenten bei der Deutschen Atlantischen Gesellschaft, Generalleutnant a.D. Karl Müllner. Nach der Video-Einspielung eines Grußwortes durch Željko Komšić, einen der drei Staatspräsidenten, oblag die Moderation Professor Dr. Ulrich Schlie von der Universität Bonn. Einig war man sich auf dem Podium, dass es in strategischer Hinsicht entscheidend sein wird, ob die begonnenen Prozesse der europäischen und transatlantischen Integration erfolgreich fortgeführt werden können. Das Land zählt derzeit zu den „potenziellen Beitrittskandidaten“ zur Europäischen Union und auch zur NATO.
Politische und ethnische Gegensätze überwinden
Die Bestellung Christian Schmidts zum Hohen Repräsentanten erfolgte aufgrund einer Initiative der Bundesregierung und mit breiter Unterstützung der Staatengemeinschaft. Er übernahm damit eine wichtige Rolle, wenn es um die Umsetzung notwendiger Reformen und die Überwindung politischer und ethnischer Gegensätze in Bosnien und Herzegowina geht.
Der Hohe Repräsentant übt faktisch einen Teil der Staatsgewalt als Vertreter der internationalen Gemeinschaft aus, was damit begründet wird, dass infolge des im Krieg entstandenen gegenseitigen Misstrauens unter den Verantwortlichen der Volksgruppen nach wie vor eine Blockadehaltung vorherrscht und gut 25 Jahre nach der Beendigung des dortigen Krieges mit dem Friedensabkommen von Dayton die internationale Perspektive des Landes noch ungeklärt ist.
Schon vor seinem Einzug in den Deutschen Bundestag im Jahr 1990 beschäftigte sich Schmidt mit Außen- und Europapolitik und bereits Anfang der neunziger Jahre musste er sich als junger Außenpolitiker mit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien befassen. In seiner inzwischen mehr als 30-jährigen Parlamentstätigkeit war er nicht nur Bundesminister und Parlamentarischer Staatssekretär, sondern schon frühzeitig zum Beispiel Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und im Verteidigungsausschuss sowie Außen- und sicherheitspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe.